Hier stehe ich in der Küche und spüle das Frühstücksgeschirr und höre meinem Hannes beim Spielen zu – er ist so ruhig und ausgeglichen wie selten…

Diesen Morgen hat sich etwas neues zu unserer Geräuschkulisse hinzugefügt – etwas neues sollte ich vielleicht nicht sagen: ‚jemand‘ neues: Reyna!

So neu eigentlich auch wieder nicht.

Reyna ist ein Mädchen, die mir schon mal vor gut 3 Jahren im Haushalt geholfen hat. Damals war sie erst 14 Jahre alt und kam an 2 Nachmittagen. Sie war ein gutes halbes Jahr bei uns… dann kamen die großen Ferien und wir haben uns für das kommende Schuljahr lose verabredet. Gleiche Arbeit, gleiches ‚Gehalt‘…

Reyna kommt aus einer ziemlich kaputten Familie. Damals wohnte sie mit ihrem Vater und ihrer Schwester zusammen. Die Eltern hatten sich getrennt. Der Vater konnte nicht mehr so gut laufen und deshalb auch nicht viel arbeiten. Manchmal kam die Mutter aber zu Besuch und wohnte dann auch im Haus, gemeinsam mit der neuen Freundin des Vaters und dem Freund der Schwester. Für mich die ich vergleichsmäßig aus einer behüteten Familie komme, ein einziges kaputtes Durcheinander.

Nun, die Ferien waren vorbei… und Reyna kam nicht mehr! Meine Freundin, die mir Reyna vermittelt hatte, erzählte mir, dass die Mutter Reyna mit auf den ‚Acker‘ (Chacra) genommen hatte, wo sie arbeitete um sie dort ‚zu verheiraten‘. Ich war geschockt und musste in den vergangen Jahren immer wieder an sie denken und hielt die Augen nach ihr offen.

Vor ein paar Tagen bin ich mit Hannes unterwegs und sehe eine junge Frau mit ihrem Baby in der Manta (typisches peruanisches Tragetuch) in ein Moto steigen. Sie kommt mir irgendwie bekannt vor, ich gucke ein paar Mal hin – sie auch – und: es ist Reyna! Reyna, fast 17, mit ihrem 1 ½ jährigen Sohn Elvis. Wow! Wow, war das erste was mir durch den Kopf schoss! Wir reden nur kurz, sie muss weiter… aber sie meint sie würde mal vorbeikommen. Und gleich am nächsten Tag steht Reyna vor der Tür.

Sie erzählt ein bisschen aus ihrem Leben und sie geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Sie arbeitete auf dem Acker, der Farm, hat einen Freund/Mann; sie sind nicht verheiratet. In den letzten Jahren hatte sie mindestens eine Fehlgeburt und auch ihren kleinen Elvis hätte sie fast verloren. Die Schwiegermutter behandelt sie nicht gut und auch ihr Freund vermittelt ihr nur das sie nichts wert ist und nichts kann. Sie sagt sie hat Schulden, weil sie nicht mit ihrer Schwiegermutter zusammenleben kann und ihren eigenen kleinen Platz gekauft hat. Jetzt ist sie wieder in San Ramon und sucht Arbeit.

Mittlerweile ist auch Wolfgang zum Gespräch dazugekommen… wir gucken uns an und fragen uns, ob wir sie vielleicht wieder einstellen sollen?! Sollen wir?

Wir haben ihr eine Arbeit für die nächsten Wochen angeboten, nur halbtags, aber immerhin etwas. Sie nimmt an und freut sich. Aber sie kann Elvis nicht mitbringen.

Ich glaube es tut ihr weh… sie war noch nie von ihm getrennt… er ist jetzt bei ihrer Mutter. Sie wird ihrer Mutter das halbe Gehalt von uns abtreten, weil sie sich ja um ihren Sohn kümmert.

Jetzt spielt Reyna gerade mit Hannes und ich denke die ganze Zeit wie verrückt das für sie sein muss, ihren noch schlafenden Sohn bei ihrer Mutter zurückzulassen, damit sie bei den ‚Gringos‘ arbeiten gehen kann.

Verrückte Welt! Ich frage mich was ich tun kann? Ist die Arbeit bei uns das Richtige? Wie soll sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen und die Schulden abarbeiten?

Und was mich so erschreckt das Reynas Geschichte ja kein Einzelfall ist. Noch nie sind mir so viele schwangere Mädchen wie hier begegnet. Es kommt mir vor, als wenn sie ‚Familie spielen‘ wollen. Sind die Babies dann auf der Welt kümmert sich häufig die Oma um die Kinder – oft eher schlecht als recht.

Und da bin ich auf der anderen Seite, die erst mit 30 geheiratet hat, deshalb auch erst in den 30ern ihre Kinder bekommt und mit einem riesen Grinsen im Gesicht die Botschaft vernimmt: ‚Sie sind schwanger‘ und aus dem Häuschen ist deswegen und nur wenig verständige Blicke des Arztes erntet…

Verrückte Welt!!!


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